Sachverständigenrat für Umweltfragen

Nationale Meeresschutzstrategie dringlich aber verbesserungsbedürftig

Datum 01.10.2008

Der SRU begrüßt den heutigen Kabinettsbeschluss zu einer „nationalen Meeresschutzstrategie“. Sie bedeutet eine schnelle Umsetzung der Vorgaben der europäischen Richtlinien und birgt die Chance einer deutlichen Aufwertung des Meeresschutzes. Seit 2003 hat der SRU in seinen Gutachten, insbesondere dem Sondergutachten zum „Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee“ auf die Gefährdung der heimischen Meere und die Notwendigkeit „einschneidender Korrekturen“ hingewiesen sowie eine „integrierte Strategiebildung“ empfohlen. Die nationale Meeresschutzstrategie hat jedoch auch noch Defizite, insbesondere hinsichtlich konkreter vorsorgeorientierter Qualitätsziele und der Maßnahmen. So ist auch weiterhin keine Lösung des gravierenden Problems der überhöhten Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft in Sicht.

Unsere heimischen Meere sind durch einen „zunehmenden Nutzungsdruck“ gefährdet. Wichtige Probleme sind die Überfischung der Fischbestände, die Überdüngung welche zur Eutrophierung und Sauerstoffmangel in Meeren führt, die Risiken durch die Schifffahrt – bspw. unfall- oder betriebbedingte Einleitungen von Öl – sowie die Schädigung wertvoller Meereslebensräume durch andere wirtschaftliche Aktivitäten (z. B. Ölförderung, Kies- und Sandabbau).1 Die nationale Meeresschutzstrategie nennt die Probleme und formuliert wichtige Ziele und Grundsätze.

Eine besondere Bedeutung bei diesen Belastungen haben zweifelsohne die Landwirtschaft und die Fischerei. Insbesondere die Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft stellen ein bisher ungelöstes Umweltproblem dar. So teilt der SRU nicht die Einschätzung der Bundesregierung, dass hinsichtlich der Düngemittelüberschüsse bereits hinreichende Erfolge erreicht worden sind. Diese haben in den letzten 15 Jahren – entgegen den Angaben der Bundesregierung – nicht bedeutsam abgenommen, sondern schwankten je nach Jahr zwischen 100 und 115 kg/ha 2. Nach Einschätzung des SRU wird die novellierte Düngeverordnung alleine keine hinreichende Verbesserung der Lage mit sich bringen 3. Deutschland wird damit mit Sicherheit die Ziele des HELCOM-Aktionsplanes vom November 2007 verfehlen, die Nährstoffkonzentration der Ostsee wieder auf ein „nahezu natürliches Niveau“ zu bringen.3

Der SRU hat daher in seinem Umweltgutachten 2008 eine Stickstoffüberschussabgabe vorgeschlagen 4, um wirksame Anreize zur Verminderung der Nährstoffeinträge zu schaffen.
Die Fischerei gerät aufgrund der stetig voranschreitenden Überfischung der Bestände zunehmend in die Schlagzeilen. Sie ist zudem für direkte Schäden an den Ökosystemen wie die Zerstörung sensibler Lebensgemeinschaften durch den Einsatz von Grundschleppnetzen verantwortlich. Ein weiteres wesentliches Problem ist der immer noch viel zu hohe Beifang zu kleiner Fische oder nicht verwertbarer Arten. Der SRU begrüßt das Bekenntnis der Bundesregierung zu der anstehenden Überprüfung der europäischen Fischereipolitik. Diese muss jedoch schon deutlich vor 2012 greifen.
Wichtige Elemente einer solchen Reform sollten sein: 5

  • Die Fangquoten müssen in Zukunft ausschließlich auf der Basis wissenschaftlicher Empfehlungen und unter Berücksichtung des Vorsorgeansatzes festgelegt werden.
    Dringend erforderlich ist ein Abbau der Überkapazitäten innerhalb der europäischen Fischerei, insbesondere in den Fischereien, in denen der Druck auf die einzelnen Fischbestände zu hoch ist.
  • Es bedarf dringend eines Managementkonzepts für die europäische Fischerei, welches die Fischer veranlasst, den Zustand der Bestände in stärkerem Maße in ihr wirtschaftliches Kalkül einzubeziehen.
  • Des Weiteren sollte ein generelles Rückwurfverbot umgesetzt werden, das die Fischer verpflichtet, ihren gesamten Fang einschließlich des nicht oder wenig lukrativen Anteils des Fangs anzulanden.
  • Neben den genannten strukturellen Änderungen sind auch kurzfristige einschneidende Maßnahmen, wie die Schließung bestimmter Fischereien, notwendig, um weiteren Schaden abzuwenden. Dringend erforderlich sind Wiederaufbauprogramme für heruntergewirtschaftete Bestände, um auch eine zukünftige Nutzung dieser Ressourcen zu gewährleisten.
  • Die Schaffung eines Schutzgebietsnetzes, wie es unter anderem die Fauna-Flora-Habitat- und die Vogelschutzrichtlinie vorsehen, in dem die Fischerei stark eingeschränkt oder ganz verboten wird, hat für den Schutz von mittelbar betroffenen Arten und Lebensräumen eine besondere Bedeutung.
  • Die illegale Fischerei trägt ebenfalls zur Ausbeutung der Bestände bei. Dringend erforderlich ist eine Bekämpfung derartiger Aktivitäten sowohl innerhalb als auch außerhalb europäischer Gewässer.

1 Umweltgutachten 2008, Tz. 592 ff
2 Powerpointpräsentation UG 2008 Folie 32
3 Umweltgutachten 2008, Tz. 1005
4 Umweltgutachten 2008, Tz. 1006
5 Umweltgutachten 2008 Tz. 602 ff.

Für weitere Informationen stehen Ihnen zur Verfügung:
Dr. Christian Hey, Generalsekretär, Tel. (030) 263696-110 und Dr. Markus Salomon, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Meeresschutzexperte in der Geschäftsstelle des SRU, Tel. (030) 263696-125

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