Das Umweltgesetzbuch als erstes Opfer des Vorwahlkampfes
Datum 03.02.2009
"Die historische Chance auf ein modernes und europakonformes Umweltrecht ist leichtfertig verspielt worden. Die Gründe, die gegen das UGB vorgebracht werden, sind fachlich nicht nachvollziehbar",
erklärt Prof. Dr. Christian Calliess, Professor für öffentliches Recht an der FU Berlin und Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen.
Jetzt wäre die Bundeskanzlerin als Befürworterin des UGB gefordert.
"In dieser verfahrenen Situation, in der es um das irrationale Scheitern eines wichtigen und im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformprojekts geht, müsste die Bundeskanzlerin von ihrer in der Verfassung ausdrücklich vorgesehenen Richtlinenkompetenz Gebrauch machen und dem UGB so zum Durchbruch verhelfen",
meint Prof. Calliess.
Neben der integrierten Vorhabengenehmigung stehen nun auch die Errungenschaften des international vorbildlichen deutschen Naturschutzrechts zur Disposition.
Bedauerlich ist das Scheitern des UGB insbesondere, weil damit auf unabsehbare Zeit die Chance vertan wird, das historisch gewachsene und daher zersplitterte und unübersichtliche deutsche Umweltrecht zu systematisieren. Vor allem die geplante integrierte Vorhabengenehmigung hätte sowohl für die Wirtschaft als auch die Bürger weniger Bürokratie bedeutet, weil künftig nur noch eine Genehmigung von einer Behörde in einem Verfahren erteilt werden sollte. Die Qualität der Arbeit staatlicher Behörden hätte sich durch die Bündelung von Sachkompetenz in den Behörden verbessert. Und nicht zuletzt wäre mit der einheitlichen, integrierten Genehmigung den Vorgaben des auch für Deutschland verbindlichen europäischen Umweltrechts entsprochen worden.
Der bayerische Umweltminister Söder hatte nach Zeitungsberichten kritisiert, dass 10.000 neue landwirtschaftliche Vorhaben nunmehr genehmigungspflichtig geworden wären. Dabei ist für die genannten Anlagen und Projekte bereits jetzt eine Genehmigung erforderlich, die allerdings eine andere Bezeichnung trägt. Die Wortwahl suggeriert überdies, dass bereits bestehende Anlagen betroffen sein könnten, was jedoch nicht der Fall gewesen wäre. Ebenso irreführend ist es, wenn behauptet wird, 77.000 km Gewässerrandstreifen hätten allein in Bayern neu ausgewiesen werden müssen. An diesem Punkt sah das UGB nämlich ein Abweichungsrecht der Länder vor, die mithin auf eine Ausweisung ganz hätten verzichten können.
Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf, das UGB würde zu einer Monsterbürokratie führen. Dies hat der SRU schon in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin widerlegt. Der eigens zur Bekämpfung von Bürokratie ins Leben gerufene Normenkontrollrat der Bundesregierung und das Statistische Bundesamt hatten für die Unternehmen Effizienzgewinne in Höhe von fast 30 Mio. Euro jährlich errechnet, die sich mit der Einführung des UGB aus dem Abbau bürokratischer Informationspflichten ergeben würden. Selbst der dem UGB gegenüber kritisch eingestellte Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) rechnete mit einem Einsparpotenzial für die Wirtschaft durch das Gesetzbuch.
Die befürchtete Rechtsunsicherheit dagegen wird durch das Scheitern des UGB zunehmen. Zwar hätten die Länder in Zukunft in bestimmten Bereichen auch vom bundeseinheitlichen Umweltrecht abweichen können. Dazu werden sie nunmehr regelrecht eingeladen, wenn es das angestrebte einheitliche und transparente Umweltrecht nicht geben wird. Besonders verheerend könnte sich das im Naturschutz auswirken. Noch ist offen, ob und in welcher Form dem Bund die nach der Föderalismusreform erforderliche Vollregelung nunmehr gelingen wird. Zudem haben viele Bundesländer im Naturschutz Wünsche nach dem Abbau von Standards geäußert, die sie nunmehr leichter realisieren könnten.
Der SRU hat sich wiederholt in den letzten Monaten zum UGB geäußert, so insbesondere:
"Offener Brief" des SRU zu den Kabinettsberatungen zum Umweltgesetzbuch (UGB) 19.11.2008
"Naturschutz im Umweltgesetzbuch: Schreiben des SRU an Kanzleramtsminister de Maizière"
Umweltgutachten 2008-Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels Kapitel 5.7
Der SRU berät die Bundesregierung seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik. Die Zusammensetzung des Rates aus sieben Universitätsprofessorinnen und professoren verschiedener Fachdisziplinen gewährleistet eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung, sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus ökonomischer, rechtlicher, politikwissenschaftlicher und ethischer Perspektive.
Der Rat besteht derzeit aus folgenden Mitgliedern:
Weitere Informationen erhalten Sie beim Generalsekretär des SRU,
Dr. Christian Hey, Tel: 030/263696-0
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