Gleichberechtigung von Umweltschutzbelangen vor Gericht ist überfällig
SRU fordert umweltrechtliche Verbandsklage
Datum 23.02.2005
Das gegenwärtige System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in Deutschland begünstigt Umweltnutzungs- auf Kosten von Umweltschutzinteressen. Nach wie vor fehlt es an der gebotenen Parität von gemeinwohlorientierten Umweltschutzbelangen und Individualinteressen vor Gericht. Die Gleichberechtigung von Umweltschutzbelangen vor Gericht ist überfällig. Privaten ökonomischen Interessen ist mit der Einführung einer umweltrechtlichen Verbandsklage auf Bundesebene endlich ein adäquates Gegengewicht gegenüberzustellen. Während Umweltnutzer grundsätzlich gegen jede auch nur mittelbar wirkende Umweltschutzmaßnahme klagen können, ist Umweltschützern in Deutschland der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten bislang vielfach verwehrt. Gemeinwohlbelange des Umwelt- und Naturschutzes können nur ausnahmsweise gerichtlich überprüft werden, obwohl gerade sie die Bevölkerung insgesamt oder zumindest einen maßgeblichen Teil der Bevölkerung betreffen. Deutschland gehört mit dieser restriktiven Rechtsschutzkonzeption zu den Nachzüglern im europäischen, aber auch im internationalen Vergleich.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen drängt auf eine zügige und eine uneingeschränkte Umsetzung einschlägiger Vorgaben des internationalen sowie des europäischen Rechts. Sinn und Zweck der von Deutschland unterzeichneten „Aarhus-Konvention“ (ECE-Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters) ist ein Gerichtszugang auch für Umwelt- und Naturschutzverbände, um das Umweltschutzrecht in seiner Gesamtheit effektiver durchsetzen zu können. Mit der sog. EU-Beteiligungsrichtlinie (2003/35/EG) ist die Aarhus-Konvention bereits partiell verbindliches europäisches Recht geworden. Konkret ist danach von den Mitgliedstaaten die gerichtliche Kontrolle von Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen sowie von Verfahren, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, durch Umwelt- und Naturschutzverbände bis zum 25. Juni dieses Jahres zu ermöglichen. Das geplante „Gesetz zum Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten“ zur Umsetzung der genannten EU-Richtlinie in das deutsche Recht sollte daher dringend ohne weitere Verzögerungen verabschiedet werden. Darüber hinaus ist die Einführung einer Verbandsklage für das gesamte „übrige“, das heißt für das noch nicht von der EU-Beteiligungsrichtlinie erfasste umweltbezogene Recht sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zu forcieren. Der SRU hält die Skepsis in Deutschland gegenüber der umweltrechtlichen Verbandsklage für unbegründet und nicht sachgerecht. Befürchtungen einer angeblichen Prozessflut und unverhältnismäßiger Behinderungen wichtiger (Infrastruktur)Projekte infolge einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch Verbände für bloße Blockadezwecke müssen vielmehr als empirisch widerlegt gelten. Der SRU hat zudem bereits in der Vergangenheit die „präventive“ Funktion der Verbandsklage betont. Denn die potenzielle Einklagbarkeit von Umweltschutzbelangen trägt zu deren angemessenerer Berücksichtigung in den Verwaltungen und damit zur Gewährleistung einer konsequenteren Durchsetzung des Umweltrechts bei.
Download:
Stellungnahme "Rechtsschutz für die Umwelt- die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar"
Für weitere Hintergrundinformationen wenden Sie sich bitte an Dr. Christian Hey, Generalsekretär, SRU, Tel. 0049-30-263696-110 Sachverständigenrat für Umweltfragen
Reichpietschufer 60, 10785 Berlin
Telefon 030/26 36 96-0; Fax: 030/263696-109
Internet: http://www.umweltrat.de, e-mail: sru@uba.de
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