Sachverständigenrat für Umweltfragen

Hohe Mobilität – umweltgerechter Verkehr

SRU präsentiert Sondergutachten "Umwelt und Straßenverkehr"

Datum 17.06.2005

Das sehr dynamische Wachstum des Straßenverkehrs hat nicht nur erhebliche Mobilitätschancen für Transportbedarfe von Industrie und Gewerbe sowie für die Befriedigung vielfältiger privater Interessen gebracht, sondern ist zugleich mit einer Fülle von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen verbunden, die trotz beachtlicher umwelt- und verkehrspolitischer Anstrengungen bislang nicht auf ein akzeptables Maß reduziert werden konnten.

Luftschadstoffe, wie insbesondere Dieselrußpartikel, erhöhen das Lungenkrebsrisiko und führen zu chronischen Atemwegserkrankungen. Verkehrslärm in Wohngebieten beeinträchtigt die Lebensqualität großer Teile der Bevölkerung und gefährdet zunehmend auch die menschliche Gesundheit. Durch Landschaftszerschneidung, Flächenverbrauch und die Zerstörung von Habitaten tragen der Straßenbau und der Autoverkehr entscheidend zum Verlust biologischer Vielfalt bei. Die trotz Dreiwegekatalysator noch hohen NOx-Emissionen belasten Gewässer und Böden. Schließlich ist der Straßenverkehr heute für rund ein Fünftel der klimaschädlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Den negativen ökologischen und gesundheitlichen Folgen des Straßenverkehrs kann mit Einzelmaßnahmen nicht wirksam begegnet werden. Sie erfordern eine integrierte Umweltschutzstrategie, die alle Möglichkeiten zur Vermeidung, Verlagerung und technischen Verbesserung nutzt, um Umweltqualitätsziele zu erreichen.

Unter dem Titel "Umwelt und Straßenverkehr: Hohe Mobilität – Umweltverträglicher Verkehr" stellt das neue Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen ein solches Gesamtkonzept zur umweltverträglichen Gestaltung des Straßenverkehrs vor. In seinem Gutachten zeigt der SRU, dass sogar mehr Mobilität für alle mit weniger Verkehr möglich ist. Nicht der Verkehr, sondern die Mobilität der Bürger sollte nach Ansicht des SRU die zentrale Zielgröße der
Verkehrspolitik sein. Statt den Mobilitätsbedarf durch die noch immer vorrangige Förderung des Automobilverkehrs zu befriedigen, sollte Mobilitätspolitik stärker risikoärmere und umweltgerechtere Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen, insbesondere durch eine dementsprechende Siedlungs- und Infrastrukturpolitik fördern. Dies bedeutet keine Geringschätzung des motorisierten Individualverkehrs, sondern seine sinnvolle Einbettung in eine übergreifende umweltgerechte Mobilitätspolitik. Gleichzeitig rät der SRU zu einer umweltpolitischen Innovationsstrategie für die Automobilindustrie, die für ihre Wettbewerbsfähigkeit von strategischer Bedeutung sein wird.

Ausgewählte Empfehlungen des SRU sind:

  1. Die gesundheitsgefährdende Belastung durch Feinstaub in vielen Städten muss schnellstmöglich verringert werden. Der SRU begrüßt daher grundsätzlich die Maßnahmen der Bundesregierung zur beschleunigten Durchsetzung des Partikelfilters und insbesondere auch die geplante Kennzeichnungsverordnung, mit der den Ländern und Kommunen differenzierte Verkehrsverbote und –beschränkungen für stark emittierende Kraftfahrzeuge in besonders belasteten Regionen ermöglicht werden. Angesichts des großen Bestandes an Altfahrzeugen und deren hohen Anteil an der Gesamtbelastung sowie mit Blick auf die vergleichsweise kostengünstigen Emissionsminderungspotenziale in diesem Bestandssegment sollten finanzielle Anreize schwerpunktmäßig zur Nachrüstung von Altfahrzeugen mit Partikelfiltern und zur Außerbetriebnahme solcher Fahrzeuge gesetzt werden. Neben der Nachrüstung von älteren PKW ist dabei vor allem auch die Nachrüstung von Bussen und Lastkraftwagen geboten. Zugleich gilt es jedoch sicherzustellen, dass auch Neufahrzeuge zügig nur noch mit Partikelfiltern ausgeliefert werden. In Anbetracht der kommenden Einführung der Euro-5-Norm sowie der Debatte um die Gesundheitsfolgen von Feinstaub und um lokale Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge ohne Partikelfilter erscheint allerdings eine Ausstattung von Neufahrzeugen mit Filtern auch ohne ausgeprägte Fördermaßnahmen plausibel. Widersprüchlich ist, dass die Europäische Kommission mit Rücksichtnahme auf die Automobilindustrie einen Vorschlag für Euro 5- und EURO VI-Grenzwerte weiter verzögert und damit maßgeblich selbst die Einhaltung von europäischem Umweltrecht verhindert.

  2. Zugleich warnt der SRU davor, die aktuelle umweltpolitische Debatte im Verkehrsbereich alleine auf die Feinstaubproblematik zu verengen. Denn die Menschen in Ballungsräumen sind von zahlreichen anderen verkehrsbedingten Umweltbelastungen betroffen. Diese Probleme können nur durch eine integrierte, umweltorientierte Verkehrsplanung in Städten und Ballungsräumen angegangen werden. Der SRU empfiehlt daher, die integrierte Verkehrsplanung in den Städten und Regionen gesetzlich durch ein Gemeindeverkehrsplanungsrecht zu verankern.

  3. Die Bundesverkehrswegeplanung ist dem weitgehend vollendeten Verkehrsnetz in Deutschland nicht mehr angemessen und wird dem Anspruch nicht mehr gerecht, das Verkehrsgeschehen im Zusammenhang mit einer verkehrssparenden Raumentwicklung umweltgerecht und sicher zu gestalten. Anstelle eines Auswahlverfahrens für Länderwunschlisten sollte die Bundesverkehrswegeplanung den strategischen Zielen einer reformierten Bundesraumordnung untergeordnet und als Suchprozess für die besten Lösungen für ökologische und verkehrliche Engpässe ausgestaltet werden. Die Bundesverkehrswegeplanung sollte sich zudem auf Verbindungen von zentraler nationaler oder internationaler Bedeutung beschränken und die Verantwortung für regionale Verbindungen den Ländern überlassen.

  4. Im Bereich des Klimaschutzes kritisiert der SRU die unzulängliche Wirksamkeit der Selbstverpflichtung der europäischen Automobilindustrie. Die selbst gesteckten Ziele der Automobilproduzenten sind nicht nur unzureichend, sondern werden dennoch voraussichtlich verfehlt. Der SRU empfiehlt dagegen, die Selbstverpflichtung durch ein System handelbarer Flottenverbrauchsrechte zu ersetzen, das mit dem Industrieemissionshandel gekoppelt wird. Ziel sollte eine Verringerung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen von Neuwagen bis zum Jahr 2012 auf 100 g CO2/km sein. Dies ist – wie die Erfahrung mit dem japanischen Hybrid-Fahrzeug PRIUS zeigt – technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar. Als Anreiz zur Verwirklichung dieses Ziels sollte die Kfz-Steuer auf eine CO2 -orientierte Bemessungsgrundlage umgestellt, progressiv ausgestaltet und bei Neuzulassung eines Fahrzeugs für mehrere Jahre im Voraus erhoben werden. Um zu vermeiden, dass die steigende Energieeffizienz der Fahrzeuge einen Anreiz zur Ausdehnung der Fahrleistung gibt, sind weitere Erhöhungsstufen der Kraftstoffpreise im Rahmen der ökologischen Steuerreform unabdingbar. Nur so kann gewährleistet werden, dass die vorhandenen technischen Potenziale zur CO2-Minderung bei Kraftfahrzeugen konsequent ausgeschöpft werden.

    Das komplette Sondergutachten "Umwelt und Straßenverkehr" sowie eine parallel veröffentlichte Stellungnahme des SRU zur aktuellen Feinstaubdebatte mit dem Titel "Feinstaub durch Straßenverkehr – Bundespolitischer Handlungsbedarf" können unter www.umweltrat.de heruntergeladen werden.

    Für weitere Hintergrundinformationen wenden Sie sich bitte an Dr. Christian Hey, Generalsekretär, SRU, Tel. 0049-30-263696-110

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