"Umweltverwaltungen an den Grenzen der Leistungsfähigkeit"
SRU fordert Aufwertung der Umweltverwaltungen
Datum 22.02.2007
Die Umweltverwaltungen arbeiten inzwischen vielfach an der Grenze der Belastbarkeit und können nicht mehr konsequent alle Aufgaben angemessen erfüllen. Anlässlich der Übergabe des Sondergutachtens "Umweltverwaltungen unter Reformdruck" stellt der Vorsitzende des SRU Prof. Dr. Hans-Joachim Koch fest: "Ohne einen wirksamen Vollzug nützen selbst die ehrgeizigsten Umweltziele wenig. Die Leistungsfähigkeit der Umweltverwaltungen muss wieder in den Mittelpunkt der Reformanstrengungen gerückt werden."
Umweltverwaltungen leisten einen wesentlichen Beitrag zum hohen Umweltschutzniveau, zu Standortqualität, Investitionssicherheit und Innovation in Deutschland. Noch gehört Deutschland gerade in den Bereichen Luftreinhaltung, Gewässerschutz und Abfallwirtschaft auch dank der engagierten und effizient arbeitenden Umweltverwaltungen zum internationalen Spitzenfeld.
In den letzten Jahren mussten jedoch die Umweltverwaltungen mehr und immer anspruchsvollere Aufgaben mit schrumpfenden Finanz- und Personalmitteln erfüllen. Seit 1996 sind die gesamtstaatlichen Umweltausgaben um 22% (oder 600 Millionen Euro) gesunken.
Während die Klimadebatte derzeit erneut vor Augen führt, wie unverzichtbar ein wirksamer Umweltschutz ist, streben die Bundesländer unter dem Druck angespannter Haushalte einen massiven Abbau von Personal und Finanzmitteln in den Umweltverwaltungen an. Ohne erhebliche Substanz- und Qualitätsverluste sind die angestrebten "Effizienzrenditen" von bis zu 20% und der damit einhergehende Verwaltungsumbau aber nicht umzusetzen. Von überproportionalen Kürzungen besonders stark sind die kleinsten Verwaltungseinheiten, die Naturschutzbehörden, betroffen. Die Folge ist ein deutlicher Aufgabenabbau sogar beim Pflichtprogramm im Vollzug des Bundesumweltrechts.
Ein wesentliches Element aktueller Reformen und Reformpläne der Bundesländer ist die Verlagerung von Zuständigkeiten von den staatlichen auf die kommunalen Ebenen. Der SRU erachtet die wichtigen Problemlösungsbeiträge der Kommunalverwaltungen als unverzichtbar für einen erfolgreichen Umweltschutz. Er warnt jedoch zugleich vor einer Überlastung und Überforderung der kommunalen Ebene. Dieser fehlt vielfach die sachliche und personelle Ausstattung zur Bewältigung zusätzlicher anspruchsvoller Umweltschutzaufgaben. Sie kann auf den örtlichen Ebenen auch gar nicht immer geschaffen werden. Wenn beispielsweise Fachleute aus wenigen staatlichen Bezirks- oder Gewerbeaufsichtsämtern auf 50 Städte und Kreise verteilt werden, dann wird gebündelter und routinierter Sachverstand zerstreut und entwertet. Der SRU teilt die Sorge vieler Wirtschaftsvertreter, dass durch die Kommunalisierung ein kompetenter Partner und Dienstleister der Wirtschaft verloren gehen könnte.
Zu einem wirksamen Vollzug des nationalen und europäischen Umweltrechts gehören auch faire Verwaltungsverfahren und ein wirksamer Rechtsschutz für Drittbetroffene und Vertreter des Umweltschutzes. Verfahrensregeln unterstützen die Umweltverwaltungen, einen fairen Interessensausgleich in den Abwägungen zwischen Umwelt- und Ansiedelungspolitik zu finden. Die jüngsten Initiativen von Bund und Ländern zum "Bürokratieabbau" und zur Verfahrensbeschleunigung beeinträchtigen häufig die Qualität des Verwaltungshandelns. Sie führen in der Summe dazu, dass Umwelterfordernisse in der Abwägung geschwächt werden. Der SRU wendet sich gegen die zunehmend polemische "Bürokratiedebatte", in der die Leistungen der Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen für den Umweltschutz und damit zugleich für weitere wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten aus dem Blick geraten.
Weitere Ergebnisse des Sondergutachtens können wie folgt zusammengefasst werden:
- Der SRU hält Bemühungen um einen optimalen Zuschnitt der Landesumweltämter für grundlegend wichtig, da für die sehr anspruchsvollen Vollzugsaufgaben im Umweltschutz "Wissensmanager" benötigt werden, die die unerlässlichen Handlungsorientierungen erstellen.
- Der SRU betont die Bedeutung staatlicher Bezirksverwaltungen in den großen Flächenländern als kaum verzichtbare Instanzen einer integrierten, präventiven, in zahlreichen Handlungsfeldern notwendig planenden Umweltverwaltung, wobei im Verhältnis zu staatlichen Sonderbehörden und Landkreisen verschiedene organisatorische Verknüpfungen und Aufgabenverteilungen sachgerecht sein können.
- Der SRU sieht für die facettenreichen Privatisierungsvorschläge in der Umweltverwaltung eher enge Grenzen, da jedenfalls die staatliche Gewährleistungsverantwortung für das Staatsziel "Umweltschutz" unverzichtbar ist und damit eine Privatisierung ohne zusätzlichen staatlichen Kontrollaufwand zur Qualitätssicherung nicht vertretbar wäre.
- Der SRU erkennt die erfolgreichen Bemühungen um Verfahrensbeschleunigung an, rät jedoch von einer Reihe aktueller Vorschläge wegen einer Gefährdung der Qualität des Verwaltungshandelns auch deshalb ab, weil weitere Beschleunigungserfordernisse nicht hinreichend empirisch belegt sind.
- Der SRU warnt vor überzogenen, aufwändigen und im Ertrag zweifelhaften Kooperationspflichten der Verwaltung mit den Umweltnutzern, während zugleich die Partizipation Drittbetroffener im Konflikt mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben problematisch reduziert werden soll.
- Der SRU hält die Summe der inzwischen erfolgten Einschränkungen im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Verbindung mit dem aktuellen Verzicht auf eine angemessene, dem Geist der Aarhus-Konvention und der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Ausgestaltung von Verbandsklagerechten im Umweltschutz auch deshalb für fragwürdig, weil Klagerechte die fachliche Arbeit der Verwaltung in den oftmals heftigen Interessenkonflikten zu stärken geeignet sind.
Download:
Sondergutachten "Umweltverwaltungen unter Reformdruck: Herausforderungen, Strategien, Perspektiven"
Weitere Informationen erhalten sie bei Dr. Christian Hey, Tel:263696-0
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